Bruch der Koalition: Was wird jetzt mit der Pflege?


08.11.2024 - Und schon haben die Diskussionen begonnen: Die CDU fordert vom Bundeskanzler nach dem Koalitionsbruch die Vertrauensfrage sofort sowie zum frühesten Zeitpunkt Neuwahlen. Die verbleibende Bundesregierung aus SPD und Grünen, nunmehr ohne Mehrheit im Bundestag, hofft noch darauf, mit Zustimmung der Opposition einige wichtige Gesetze durch den Bundestag bringen zu können.

Zumindest über die Terminierung der Vertrauensfrage und Neuwahlen konnte nun Einigung erzielt werden: Der Bundeskanzler wird jetzt am 16. Dezember 2024 die Vertrauensfrage stellen, vorgezogene Neuwahlen sollen dann am 23. Februar 2025 stattfinden.

Bis Ende 2024 will Olaf Scholz aber noch Projekte durchs Parlament bringen – mithilfe der demokratischen Oppositionsparteien. Dazu gehören der Ausgleich der kalten Progression, die Stabilisierung der gesetzlichen Renten, Sofortmaßnahmen zur Stärkung der Industrie, die schnelle Umsetzung der Regeln des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Auch die Erhöhung des Kindergeldes und der Beschluss über das Deutschlandticket gehören dazu. Das alles hält der Bundeskanzler für unaufschiebbare Gesetzesvorhaben – aber zur Pflege gibt es kein Wort.

Der DVLAB jedoch blickt genau dorthin und fragt: Was bedeutet das ganze politische Dilemma für die Gesundheits- und Pflegepolitik? Immerhin laufen derzeit ja so einige Gesetzgebungsverfahren.

Das Pflegekompetenzgesetz

Laut dem Bundesgesundheitsminister auf dem Deutschen Pflegetag wird es „von allen demokratischen Parteien im Bundestag begrüßt und begleitet“. Auf Basis des Pflegekompetenzgesetzes sollen die vielfältigen Kompetenzen von Pflegefachpersonen in der Versorgung stärker als bislang eigenständig genutzt werden können. Dabei geht es auch um die Anerkennung von pflegefachlicher Expertise sowie als übergeordnetes Ziel die langfristige Sicherung von Pflegequalität angesichts des demografischen Wandels.

Der Referentenentwurf liegt vor, die Verbändeanhörung ist gelaufen. Steht das weitere Verfahren nun auf der Kippe? Oder kann die verbliebene Bundesregierung die geplanten Regelungen zur Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten von Pflegekräften noch voranbringen? Wohl kaum. Umso wichtiger wäre es, dass eine neue Bundesregierung das Pflegekompetenzgesetz ganz oben auf ihre Agenda setzt.

Das Pflegeassistenz-Gesetz

Das Bundeskabinett hatte der Einführung einer bundeseinheitlichen generalistischen Pflegefachassistenzausbildung bereits zugestimmt. Sie soll 18 Monate dauern und zu 2027 eingeführt werden.

Der DVLAB teilt zwar weder die generalistische Ausrichtung des Gesetzentwurfes noch die angestrebte Dauer der Ausbildung von 18 Monaten, sondern fordert für die Altenhilfe vielmehr eine Qualifizierung über 12 Monate. Aber dass eine bundeseinheitliche Regelung der Pflegefachassistenzausbildung längst überfällig ist, liegt auf der Hand. Wird sie nun einfach wieder auf Eis gelegt?

Die Reform der Pflegeversicherung

Niemand kann noch darauf hoffen, dass jetzt noch eine vernünftige Reform angeschoben wird angesichts der verbliebenen Koalitionäre SPD und Grüne, die nun keine Mehrheit im Bundestag mehr besitzen. Diese Aufgabe wird also auf die nächste Bundesregierung nach den Neuwahlen am 23. Februar warten. Bis dahin dürfte sie im Winterschlaf liegen.

Zur Historie:

Gesundheitsminister Lauterbach hatte im Mai 2024 geäußert, dass eine umfassende Finanzreform in der Pflege in dieser Legislatur­periode wahrscheinlich nicht mehr zu leisten sei, weil die Ansichten der Koalitionspartner zu weit auseinanderliegen würden. Nachdem daraufhin von allen Seiten und auch vom Bundeskanzler Druck kam, kündigte Lauterbach dann doch eine weitere Pflegereform noch vor der nächsten Bundestagswahl an. Gleich nach der Sommerpause wolle er dafür ein Konzept vorlegen, sagte er im Juli. Im August deutete der Minister dann erstmal höhere Beitragssätze für das kommende Jahr an, die ohnehin allgemein schon erwartet wurden.

Im Oktober machte dann die Nachricht die Runde, dass die Pflegeversicherung demnächst zahlungsunfähig werde, wenn die Bundesregierung nicht eingriffe. Die finanzielle Lage sei schlimmer als angenommen. Lauterbach dementierte die drohende Insolvenz, bekräftigte aber seinen Willen, ein Konzept für die in durchaus großen finanziellen Schwierigkeiten steckende Pflegeversicherung vorzulegen.

Am heutigen 8. November erklärte der Bundesgesundheitsminister nun vor Medienvertreter*innen, dass die Beiträge für die Pflegeversicherung um 0,2 Beitragssatzpunkte ab 1. Januar 2025 steigen sollen (für Rentner*innen ab 1. Juli 2025). Eine entsprechende Regierungsverordnung habe er heute dem Bundeskabinett zugeleitet. Für das Inkrafttreten ist die Zustimmung des Bundesrates nötig. Der Bundestag kann der Erhöhung widersprechen, Lauterbach erwartet aber keinen Widerspruch. Man müsse jetzt handeln, um die Pflegeheime zu schützen und Unsicherheiten zu vermeiden, meinte er.

Der Minister ist der Auffassung, dass die geplante Beitragssatzerhöhung reiche, um die Finanzsituation der Pflegekassen im gesamten Jahr 2025 zu stabilisieren. Der Beitrag würde damit auf 3,6 Prozent des Bruttolohns steigen, Menschen ohne Kinder müssten 4,2 Prozent für die Pflegeversicherung abgeben. Jetzt also schon wieder – denn erst im Juli vergangenen Jahres waren die Beitragssätze um 0,35 Prozent erhöht worden.

Ob das Gesetz jedoch noch bis Ende 2024 den Bundestag passieren kann, bleibt offen, denn wie gesagt: Die geschrumpfte Bundesregierung hat seit dem Koalitionsbruch keine Mehrheit mehr. Und wie die Opposition in dieser Sache stimmen wird, bleibt abzuwarten.

Möglich, dass die Beitragserhöhung der Pflegeversicherung zulasten der Beitragszahler*innen noch eine kurze Atempause verschafft. Aber auch möglich, dass die 0,2 Beitragssatzpunkte nicht mal dafür ausreichen werden. Von einer nachhaltigen Reform der Pflegeversicherung ist das alles jedoch Welten entfernt. Lauterbach indes scheint zuversichtlich, dass sie in der nächsten Legislaturperiode mit anderen Mehrheiten beschlossen wird. Derzeit arbeite man in seinem Ministerium weiter an Eckpunkten für eine große Pflegereform, die er sehr gern noch selbst umgesetzt hätte, sagte er...

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