Sexuelle Gewalt gegen Pflegende: Thema enttabuisieren!


22.04.2022 - Bereits 2021 hatte die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) in einer Studie untersucht, wie viele Beschäftigte in Gesundheitsdiensten und Wohlfahrtspflege bereits sexuelle Belästigung und Gewalt durch Menschen erlebt haben, die von ihnen beruflich betreut und gepflegt werden. Erforscht wurde auch, welche Formen sexueller Belästigung und Gewalt vorkamen und welche Branchen besonders häufig betroffen sind. Nun hat die Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Claudia Moll (SPD), auch mit Blick auf sexuelle Gewalt in der Pflege bessere Arbeitsbedingungen gefordert.

Die Studie
Die BWG hatte 901 Beschäftigte aus 60 Einrichtungen (Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und Werkstätten für Menschen mit Behinderungen) für die Studie befragen lassen. Ziel war es, differenziertes Wissen zu erhalten über die Verbreitung sexueller Belästigung und Gewalt in den Einrichtungen und Diensten. Neben der Frage, wie oft diese vorkommt, stand auch die Frage im Mittelpunkt, was für Folgen das für die Beschäftigten hat.

Bei der Befragung wurden nonverbale, verbale und körperliche sexuelle Belästigung und Gewalt unterschieden. 62,5 Prozent der Befragten gaben an, in den vergangenen zwölf Monaten mindestens einmal nonverbale sexuelle Belästigung und Gewalt erlebt zu haben. 67,1 Prozent hatten verbale und 48,9 Prozent körperliche sexuelle Belästigung und Gewalt durch von ihnen gepflegte oder betreute Personen erlebt. Demnach ist die Betroffenenrate im Gesundheits- und Sozialwesen hoch. Die Erfahrungen der Beschäftigten unterschieden sich je nach Branche erheblich. Pflegekräfte hatten besonders häufig verbale Belästigung erlebt.

Zusammenhang mit psychischem Befinden
Zudem zeigte die Studie statistisch bedeutsame Zusammenhänge zwischen dem Auftreten von sexueller Belästigung und Gewalt und dem psychischen Befinden der Befragten: Wenn Beschäftigte angaben, häufiger sexuelle Belästigung und Gewalt erlebt zu haben, berichteten sie auch vermehrt über Depressivität, emotionale Erschöpfung und psychosomatische Beschwerden.

Wenig Präventionsmaßnahmen bekannt
Darüber hinaus wurde untersucht, wie bekannt verschiedene Konzepte und Unterstützungsangebote bezüglich sexueller Belästigung und Gewalt in den betrieblichen Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens sind. Erschreckend: Rund einem Drittel der Befragten war nichts von betrieblichen Unterstützungsangeboten ihres Arbeitgebers zur Prävention von sexueller Belästigung und Gewalt und zu Hilfe für Betroffene bekannt. Aus Sicht der (BGW) zeigt sich hier ein wichtiger Ansatzpunkt, denn sie hält eine klare Haltung und Strategie im Unternehmen zu diesem Thema für wichtig. Informieren Arbeitgeber dagegen über Präventions- und Hilfsmaßnahmen, so signalisieren sie ihren Beschäftigten damit auch, dass diese sexuelle Belästigung und Gewalt nicht hinnehmen müssen.

Die BGW unterstützt Unternehmen im Gesundheitsdienst und in der Wohlfahrtspflege dabei, Übergriffen auf Beschäftigte bestmöglich vorzubeugen und sie darauf vorzubereiten, was nach einem Vorfall zu tun ist. Eine wichtige Rolle kommt dabei Leitungskräften zu, die sich für das Thema sensibilisieren lassen und wissen sollten, wie sie ihre Beschäftigten schützen können.

Pflegebeauftragte fordert Sensibilität von Leitungskräften
Dieses Thema zu enttabuisieren, liegt auch der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Claudia Moll, am Herzen. Um über sexuelle Belästigung und Gewalt in der Pflege zu sprechen und Fälle aufzudecken, brauche es auch mehr Zeit und damit mehr Personal, sagte sie aktuell im ARD-Mittagsmagazin. Moll ermunterte Pflegende , mehr Supervisionsangebote in Anspruch zu nehmen. Betroffene sollten zudem im Team und gegenüber ihrem Arbeitgeber offen über ihre Erfahrungen sprechen. Außerdem betonte die Pflegebevollmächtigte, dass Arbeitgeber verpflichtet seien, sich darum zu kümmern.

Die Problematik ist nach Einschätzung des Portals springerpflege.de offenbar in der Politik zumindest angekommen. Zumindest soll das Bundesgesundheitsministerium auf ARD-Nachfrage als Ziel benannt haben, die Gewaltprävention in der Pflege zu optimieren. Pflegende sollten zudem besser für den Umgang mit herausforderndem Verhalten qualifiziert werden. Individuelle sowie institutionelle Präventionsmaßnahmen, Beratungs- und Supervisionsangebote würden ausgebaut werden.

Dazu Moll: „Allein mit Prävention ist schon viel getan – das heißt aber nicht, dass es ausreicht.“ Aus ihrer Sicht wären auch verpflichtende Standards sinnvoll. "Wir arbeiten daran, dass sich die Bedingungen verbessern."

Quellen: bgw-online.de, daserste.de



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