Verfassungsbeschwerde gegen "Tarifzwang" in Karlsruhe eingereicht


14.09.2021 - Mit den Regelungen des GVWG hatte der Bundestag im Juni beschlossen: Ab September 2022 müssen Pflegeeinrichtungen ihre Beschäftigten nach Tarif oder in Tarifhöhe bezahlen, wenn sie mit der gesetzlichen Pflegeversicherung abrechnen wollen. Gegen diesen "faktischen Tarifzwang" haben nun mehrere Pflegeunternehmen Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingereicht. Sie sehen sich in ihren Grundrechten auf Tarifautonomie, Berufsfreiheit und Gleichbehandlung verletzt und halten deshalb das Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetzes (GVWG) für verfassungswidrig.

„Der bpa Arbeitgeberverband, der bpa und der VDAB unterstützen die Beschwerde ihrer Mitglieder vor dem höchsten deutschen Gericht ausdrücklich und senden damit ein klares Signal an Politik, Gesellschaft und die ganze Branche“, heißt es in einer Pressemitteilung des Verbandes Deutscher Alten- und Behindertenhilfe (VDAB) vom 13.09.2021. Und weiter: "Mit der beklagten Regelung wird ein faktischer Tarifzwang für Unternehmen der Altenpflege geschaffen. Denn die Verweigerung der Übernahme eines Tarifkorsetts bedeutet den Verlust des Versorgungsvertrages, der wiederum Voraussetzung für die Zulassung am Markt ist. Der Gesetzgeber droht also mit nichts weniger als dem Existenzverlust, wenn sich Unternehmen nicht fügen."

In der Presseerklärung kommt auch der Präsident des bpa Arbeitgeberverband e.V., Rainer Brüderle, zu Wort. Er erklärte: „Es reicht mit dem Eingriff des Staates in die Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten der Pflegeunternehmen. Die Bundesregierung will irgendwelche Tarifverträge von Miniminderheiten, im Zweifel sogar von einzelnen Häusern, jetzt zum Standard für eine ganze Region bzw. ein ganzes Land erklären. Diese Tarifverträge müssen noch nicht einmal geringste Repräsentativitätsanforderungen erfüllen. Das ist Willkür und widerspricht demokratischer Legitimation. Zudem zerstört die Tariftreueregelung bewährte Lohnstrukturen und führt, wie im Falle eines Teiles der Beschwerdeführenden Unternehmen unter Umständen sogar zu niedrigeren Löhnen. Deshalb ist diese Beschwerde mehr als notwendig.“

Der Bundesvorsitzende des VDAB, Stephan Baumann, bekräftigte: „Es geht jetzt darum, unternehmerische Spielräume zu erhalten und verfassungsmäßige Rechte zu wahren. Denn der gesetzlich angedrohte Entzug von Versorgungsverträgen bedeutet für betroffene Unternehmerinnen und Unternehmer praktisch ein Berufsverbot. Gleichzeitig wird ihnen ihr verfassungsmäßig garantiertes Recht entzogen, keinem Tarifverbund anzugehören und ihre Lohnstrukturen selbst zu gestalten. Diese Eingriffe sind inakzeptabel und rechtswidrig.
Wenn die Private Professionelle Pflege weiter eine tragende Rolle in der Versorgung spielen soll, braucht es unternehmerische Spielräume, Respekt vor Grundrechten und Anreize für Innovationen und Investitionen. Die Regelungen im GVWG bewirken das glatte Gegenteil, denn sie setzen weiter auf die Perfektionierung der Reglementierung.“

Und bpa-Präsident Bernd Meurer ergänzte: „Wer jetzt alle Stellschrauben, die unternehmerisches Handeln ausmachen, blockiert, greift das private Unternehmertum frontal an. Wenn gleichzeitig auch noch ein angemessener Wagnis- und Gewinnzuschlag vom Gesetzgeber verweigert wird, hat das nichts mehr mit Sozialer Marktwirtschaft zu tun. Die Tariftreueregelung der Bundesregierung ignoriert die grundgesetzlich vorgesehene Staatsfreiheit der Lohngestaltung und Lohnfindung in der Sozialen Marktwirtschaft. Vielmehr übernimmt jetzt der Staat anstelle der Sozialpartner und der Arbeitgeber und Arbeitnehmer verfassungswidrig die Lohnfindung. Der Staat wird übergriffig. Das lassen sich die Unternehmen und wir Verbände nicht mehr gefallen.“

Grundlage für die Verfassungsbeschwerde, die von der Kanzlei Graf von Westphalen eingereicht wurde, sind Rechtsgutachten der Professoren Udo Di Fabio und Felix Hartmann.

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